Jahresgespräch mit Bürgermeister Christian Schiller

Kategorie: Aktuelles

Jetzt teilen:

Heiko Schmidt vom IKOS Verlag traf sich im Herrschinger Rathaus mit Bürgermeister Christian Schiller zum Jahresgespräch.

„Der Start des Gymnasiums ist für mich wie Weihnachten und Geburtstag zusammen“

Wie geht die Kommune in das neue Jahr? Was für Aufgaben stehen an? Welche Bauprojekte werden vorangebracht und wo sieht die Gemeinde Einsparpotentiale?  Über diese Fragen unterhielt sich Heiko Schmidt vom Herrschinger Spiegel mit Bürgermeister Christian Schiller.

Beginnen wir mit einem Rückblick auf 2024 – Was ist Ihnen vom letzten Jahr positiv in Erinnerung geblieben?

Christian Schiller: Leider war das Jahr von Anfang an geprägt von Hiobsbotschaften, negativen Ereignissen, Wetterkatastrophen und großen Schäden. Was ich aber in 2024 an bürgerschaftlichem Engagement und Vereinszusammenhalt erlebt habe, um Schäden zu beseitigen, ein Kinderhaus wieder Instand zu setzen und in der Übergangszeit Ersatzplätze für die betroffenen Kinder zu suchen, das waren mit die positivsten Erlebnisse, die mich als Bürgermeister sehr stolz machen. Es war beeindruckend, wie wir das alles mit den Bürgern, Vereinen und den Mitarbeitern gemeistert haben.

Was steht in diesem Jahr an? Was ist wichtig? Was wollen Sie anpacken?

Heuer wird teilweise das zu Ende gebracht, was für mich vor über 17 Jahren begann: Das Gymnasium wird in diesem Jahr mit einer Teilfertigstellung in Betrieb genommen. Wir rechnen mit den ersten 400 bis 500 Schülern, die ab September aufs Gymnasium gehen. Das ist für mich ein inneres Geburtstags- und Weihnachtsgefühl. Wenn man fast zwei Jahrzehnte dafür kämpft und auf dem Weg dahin viele Dinge erlebt hat, dann ist das heuer ein ganz besonderer Moment. Die umliegenden Gymnasien brauchen dringend diese Entlastung. Besonders das Gymnasium in Gilching ist froh, dass es endlich Klassen abgeben kann.

Ein weiterer Meilenstein für Herrsching ist das laufende Projekt – Bezahlbarer Wohnraum –, gegenüber vom Rathaus neben der Nikolauskirche. Da entstehen 26 Wohnungen für „Normalverdiener“, also kein sozialer Wohnungsbau, sondern bezahlbarer Wohnraum. Wenn alles klappt, wollen wir im März/April den Spatenstich durchführen und mit der Bautätigkeit beginnen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es ein ganz wichtiges Signal, dass wir unsere wenigen finanziellen Möglichkeiten auf ein Projekt konzentrieren, dass nachhaltig ist und für einige Familien wichtige existenzielle Grundlagen bieten wird.

Gibt es schon Bewerbungen dafür?

Es gibt viele Interessenten, aber wir haben noch keinen Beschluss für die Kriterien. Wir warten erst mal den unmittelbaren Baubeginn ab und dass der Gemeinderat in einer öffentlichen Sitzung die Kriterien bekanntgibt und beschließt. Das wiederum ist die Grundlage für die Entscheidung der Bürger. Das Projekt wird mit über 6 Millionen Euro gefördert. Deswegen gibt es ein paar Spielregeln, die wir einhalten müssen. Wir wissen aber, dass der momentane maximale Quadratmeter-Mietpreis bei 12,80 Euro liegt. Das ist uns von der Regierung von Oberbayern vorgegeben.

Werbung

Wie groß sind die Wohnungen? Gibt es Unterschiede?

Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen. Im Fokus stehen Familien, in denen die Eltern zwar erwerbstätig sind, sich aber einen sonstigen Wohnraum in Herrsching nur schlecht oder gar nicht leisten können.

Was steht sonst noch auf der Agenda?

Als Gemeinde müssen wir die Kinderbetreuung sicherstellen. Außerdem ist die Nachfrage an schulischen Plätzen ungebrochen hoch. Wir werden uns den Bedarf genau ansehen, um zu entscheiden, ob wir eventuell unsere Grund- und Mittelschule erweitern müssen.

Ein wichtiges Projekt ist auch der Umbau der alten Nikolauskirche zum barrierefreien Kultursaal in Zusammenarbeit mit der Gemeinde. Das kostet uns insgesamt 800.000 Euro und entspricht somit einem Viertel der Gesamtbaukosten der katholischen Kirche. So, wie wir in Widdersberg die Möglichkeiten mit dem Gemeindehaus geschaffen haben oder mit dem Gemeindesaal bei der Feuerwehr in Breitbrunn, haben wir jetzt dann auch in Herrsching einen eigenen, vielseitig nutzbaren Saal. Die Hauptbautätigkeit wird im kommenden Jahr stattfinden, dafür haben wir im Haushalt 500.000 Euro vorgesehen. Es wird sich aber bis 2026 ziehen.

Welche Pläne gibt es für das Bahnhofsgebäude- und Areal?

Das ist ein ganz spannendes Thema auf unserer Agenda. Bei der Diskussion um das Herrschinger Bahnhofsareal gibt es bereits viele Ideen und Beschlüsse.

Tatsache ist, dass es ist kein schönes Entrée ist, wenn man in Herrsching ankommt. Seit 2009/2010, als ich gerade neuer Bürgermeister war, haben wir uns bei einem Gerichtsverfahren das Vorkaufsrecht für den Bahnhof erstritten.

Von Anfang an gab es die Idee, eine tolle Platzgestaltung zu realisieren mit Gastronomie, Fahrkartenschalter etc. Das ist auch in Gemeinderatsbeschlüssen im letzten Jahr bestätigt worden. Wir hatten eine vertragliche Vereinbarung mit der Bahn, dass wir bei Interesse Grundflächen um den Bahnhof erwerben können. Wir konnten ab 2010 zwar immer wieder Flächen dazukaufen, aber seit ein paar Jahren haben wir nichts mehr bekommen. Vor wenigen Tagen ist uns von der Bahn bestätigt worden, dass es keine Veräußerungen mehr geben soll, weil sie sich noch Flächen vorhalten möchte (für neue Technikgebäude etc.). Das ist eine katastrophale Entscheidung für die Kommunen und damit ist eine Entwicklung für die Zukunft fraglich.

Könnte die Gemeinde die Flächen von der Bahn mieten?

Da beginnt das Problem: Wir sind bereit, Geld zu investieren, aber wenn man weiß, dass man nur mieten kann und im Mietvertrag Klauseln sind, die ein jederzeitiges Kündigungsrecht der Bahn einräumen, dann macht es solche Investitionen schwer. Bei Städtebauförderungen sind Nutzungen von 25 Jahren die Voraussetzung. Das könnte die Gemeinde nicht gewährleisten. Ein Beispiel: Das Gebäude gehört zwar uns, aber  außen gehört uns nur ein Meter rund um die Gebäudemauern. Für einen Biergarten oder eine Terrasse müsste dieser Bereich komplett umgebaut und verbreitert werden. Wir sind zwar noch im Gespräch mit der Bahn, aber die Tendenz ist ganz klar und seitens der Bahn leider eindeutig.

Beim WC-Gebäude wurde bereits ein Schaden angerichtet. Wie ist der derzeitige Sachstand?

Der Schaden an der Glasscheibe wurde bislang noch nicht repariert, das dauert noch. Dennoch hat er nichts mit der Funktionalität des Gebäudes zu tun. Wir  können endlich die katastrophalen Toiletten im Bahnhofsgebäude schließen und in wenigen Tagen das externe neue Toilettenhäuschen am Bahnhof in Betrieb nehmen.

Kommen wir zum Thema Finanzen. Die Kreisumlage ist im Vergleich zum Vorjahr mit rund 11 Milionen Euro um 0,8 Millionen Euro angestiegen. Ein weiterer Anstieg ist prognostiziert Woran liegt das und wie kann die Gemeinde in Zukunft gegensteuern?

Wir wissen vom Kreiskämmerer, dass die Kreisumlage in den nächsten Jahren weiter massiv steigen wird. Der Grund für die Erhöhung der Kreisumlage liegt an den vier Kliniken, die der Landkreis Starnberg unterhält. Diese haben ein hohes Betriebskostendefizit in zweistelliger Millionenhöhe, was wiederum über die Kreisumlage finanziert wird. Das heißt, der Landkreis und die kreisangehörigen Gemeinden müssen das Defizit dieser Kliniken mittragen. Die Kreisumlage wird aus dem Topf des Ergebnishaushaltes bezahlt. Die Erlöse aus dem Ergebnishauhalt müssen über die Einkommensteuerbeteiligung, Gewerbesteuer und Einsparungen erwirtschaftet werden. Das bedeutet, wenn wir laut der Prognose rund 1 Million Euro mehr brauchen, um die erhöhte Kreisumlage zu zahlen, haben wir auch insgesamt 1 Million weniger für alles andere, was nicht zu den Pflichtaufgaben zählt. Wir müssen uns jetzt überlegen, wo wir diese Million einsparen können.

Werbung

Wie sieht es mit zukünftigen Einnahmen aus?

Unsere größten Einnahmen sind die Einkommensteuerbeteiligungen und die Gewerbesteuer, die beide momentan auf einem relativ guten Niveau liegen.

Wie lange, ist die Frage. Wir haben schon Mitteilungen bekommen, dass Gewerbetreibende die Vorauszahlungen reduzieren werden, weil die Gewinnprognosen zurückgehen. Die Tendenz sieht so aus, dass wir weitere Einsparungen vornehmen müssen.

Wir können uns aber immer noch sehr viel leisten. Wir haben die letzten Jahre und Jahrzehnte unsere Hausaufgaben gemacht. Die großen Investitionen wie die Sanierung des Rathauses, Schulerweiterung, Kindergartenbau und Feuerwehrhäuser sind erledigt. Jetzt müssen wir sehen, wie wir unsere Finanzen konzentrieren. Die Grundlage dazu hat der Gemeinderat mit dem Beschluss für den bezahlbaren Wohnraum gelegt.

Wie genau können Sie in schwierigen Zeiten Einnahmen generieren ?

Wenn ich mir über diese Frage erst jetzt Gedanken machen würde, dann wäre es reichlich zu spät. Die Grundlagen sind schon vor über zehn Jahren getroffen worden. Man muss sich als Bürgermeister die Frage stellen, was eine Gemeinde attraktiv macht und wie man Einnahmen generiert. Wir haben mit der Einkommensteuerbeteiligung und der Gewerbesteuer zwei große Töpfe, die wichtig sind. Bei beiden Einnahmentöpfen gibt es ein paar Regeln und Gesetzmäßigkeiten, die man beachten muss. Zum Thema Einkommensteuerbeteiligung: Ich brauche im Ort einen guten Schnitt an Erwerbstätigen. Wie erreicht man das? Durch einen hohen Freizeitwert und man braucht Kinderbetreuungsmöglichkeiten und weiterführende Schulen in der unmittelbaren Nähe. Mit dem Beschluss, dass wir ein Gymnasium bekommen, wurde ein wichtiger Meilenstein gelegt. Ich glaube, wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und ich bin zuversichtlich, dass wir auf einem relativen, stabilen Niveau bleiben. Bei der Gewerbesteuer kommt es darauf an, dass man nicht nur von einem großen Konzern profitiert. In Herrsching haben wir einen guten Gewerbemix aus Handwerksbetrieben, mittelständischen Betrieben und Ablegern von internationalen Großunternehmen. Auch wenn die Einnahmen aus der Gewerbesteuer zukünftig zurück gehen, denke ich, dass wir es schaffen werden.

Wenn wir uns auf der Ausgabenseite ein bisschen zusammenreißen, dann kommen wir auch durch diese Finanz- und Wirtschaftskrise.

Sie sagten, dass Sie nächstes Jahr bei den Kommunalwahlen wieder antreten möchten. Sehen Sie die Zusammenarbeit mit dem Gemeinderat in einem guten Fahrwasser?

Ich glaube, dass den jetzigen Gemeinderäten aufgrund der letzten Haushaltsverhandlungen klar geworden ist, dass die Zeiten von großen Wunschkonzerten vorbei sind. Sie wissen, wie es um die Finanzen steht. Da bleibt nicht mehr viel Platz für ideologische Ideen. Die nachhaltigen Beschlüsse im Gemeinderat sind meines Erachtens ein Beweis, dass wir gemeinsam in die richtige Richtung steuern.

Im nächsten Jahr wäre Ihre vierte Amtszeit. Denken Sie es wird ein harter Kommunalwahlkampf?

Die jetzt noch laufende Amtsperiode ist bis jetzt meine härteste – auch für die Gemeinderäte. Die Zeit war geprägt von Corona, Unwettern, Sturmschäden und politischen Umbrüchen. Ich denke, der Gemeinderat und ich als Bürgermeister konnten in den letzten sechs Jahren viel dazulernen. Wenn Realismus und Realitätsbezug weiter bestehen bleiben und  wir vernünftig diskutieren können, dann wird es ein anständiger Wahlkampf. Es ist für mich immer eine herausfordernde Zeit. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn es wieder klappt. Aber Wahl ist Wahl. 

Das Interview führten Heiko Schmidt und Nicole Burk.

Jetzt teilen:

Das könnte Sie auch interessieren:

Im Blickpunkt:

Zufällig interessant?

Neueste Meldungen:

Werbung

Menü