Die stummen Glocken vom Kirchberg

Kategorie: Aktuelles

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Schon längere Zeit dürfen die Glocken der St. Martinskirche nicht mehr läuten. Bis es wieder soweit ist, muss noch viel Geld zur Sanierung gesammelt werden.

In einer gemeinsamen Aktion werden Spenden für die Sanierung der St. Martinskirche gesammelt

Hoch oben auf dem Hügel wacht sie über Herrsching. In ihr wurden Kinder getauft und unzählige Ehen geschlossen. Kamen Menschen zur Ruhe oder suchten im Gebet den Kontakt zu Gott. Wurden Herrschinger Bürger mit der Totenglocke ein letztes Mal verabschiedet. Die Glocke aber ist schon lange nicht mehr zu hören – zu instabil ist der Glockenturm geworden. Und leider nicht nur das: Teile im Gebälk des Dachstuhls sind morsch und Feuchtigkeit ist in die Sakristei eingedrungen. Schäden auch an Bauteilen der Kirchturmwände, am Chorbogen und im Gewölbe über dem Chor. Das Bistum Augsburg stuft einen Teil der Sanierung als dringlich ein und übernimmt einen Großteil der Kosten. Auch aus einer Stiftung kamen nochmal 35.000 Euro und weitere Beträge vielleicht von Seiten der Regierung? Ein Restbetrag von 120.000 Euro aber muss von der katholischen Pfarrgemeinde Herrsching getragen werden. Erst dann kann mit den Baumaßnahmen begonnen werden und die Glocken wieder zu hören sein.

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Die Martinskirche auf ihrem wunderschönen Platz da oben über Herrsching hat schon eine lange Geschichte hinter sich. Erstmals erwähnt wurde sie bereits im 12. Jahrhundert und in den folgenden Epochen nach und nach ausgebaut. Der Saalbau stammt aus der Spätgotik und Kirchturm mitsamt quadratischem Unterbau, achteckigen Oberbau und Zwiebelhaube haben sich erst später dazugesellt. Die Innenausstattung wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts von vorwiegend ortsnahen Künstlern gestaltet und hier, hoch über dem Altar, thront auch der Namensgeber dieser Kirche: der Heilige St. Martin. Dargestellt als Bischof mit Bischofsstab und Gans in den Händen. Und doch ist es weder das schöne Bauwerk noch seine geschichtliche Einordnung, die diese Kirche so besonders macht. Die Martinskirche ist einfach ein Wahrzeichen von Herrsching. Eine Institution mit vielen Geschichten und Erinnerungen drum herum, die es nun gilt mit Hilfe von Spenden für den Ort zu retten. Spricht man mit den Familien, die im Umfeld der Kirche leben, so sprudeln spontan viele Gedanken heraus, die mit der Martinskirche in Verbindung gebracht werden. Da ist einmal der Hügel, auf dem seit Generationen unzählige Kinder mit ihren Schlitten hinuntergesaust sind. Der kleine Geheimgang außen am Saal, der Abenteuerlust weckte und magische Anziehungskraft besaß. Das Bankerl vor der Kirche, mit Aussicht über den Ort und den See – auf dem philosophiert, geredet und geschwiegen wurde und wird. Der Friedhof mit seinen alten schmiedeeisernen Kreuzen und Grabsteinen: Ruhestätte und Abenteuerspielplatz in einem. Die große Weihnachtstanne, deren Ende viel Aufsehen erregte und deren Nachfolger erst noch so richtig ankommen muss. Die Christmette und das anschließende Konzert der Blaskapelle: eine Tradition, nach dem Krieg entstanden und in diesem Jahr erst zum zweiten Mal durch Corona eine Pause auferlegt.

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So um 1964 erfolgte ebenfalls eine Renovierung des Glockenturms in Mitarbeit ortsansässiger Mitarbeiter. Hier im Bild Ludwig Sepperl-Dinter mit seinen Großvätern Ulrich Sepperl und Josef Erl. (Foto ©Ludwig Sepperl-Dinter)

Die erste Pause? In einem Artikel „Weihnachtliche Klänge vom Kirchberg“ von Michael Stengl so um 2010 wird von dem 1. Ausfall berichtet: es war Mitte der 70er Jahre als der damalige Vorstand Simon Stamp über Weihnachten in seine Heimat Siebenbürgen fuhr. Eine „Missetat“, die ihm nachgetragen wurde, hatte er doch damit „das schönste Ereignis des ganzen Jahres“ ausfallen lassen. Diesen Mal war Covid19 der Missetäter – der leider darüberhinaus noch viel mehr Schaden anrichtete. Ein Ereignis auch, an dem es sich die unvergessene Christa Sepperl nie hatte nehmen lassen, den Mitgliedern der Blaskapelle einen Glühwein zu reichen. „Ob bei klirrender Kälte oder warmen Föhnsturm“ – wie der Autor schmunzelnd berichtete. Und eben dieser ganz besondere Klang der Totenglocke: früher noch per Seil angeschwungen und später dann per Knopfdruck in Gang gesetzt. Gegen 17.00 Uhr, bevor die Kirche geschlossen wurde und „jeweils 3 Minuten für verstorbene Männer und 2 Minuten für die Frauen“, wie Simon Rapp berichtet. Eine Tradition, die er gleich zu Beginn seiner Amtszeit hier im Ort unterbrach. Seither schlägt die Glocke für beide Geschlechter in gleicher Länge. War ja auch irgendwie diskriminierend, wobei sich der Pfarrer noch keine abschließende Meinung gebildet hat, für wen eigentlich. Waren die 3 Minuten nun eine Ehre für den Mann – oder erforderte ihr Leben eine längere Zeit des Betens? Schon einmal, in den Jahren 1963/64, musste die Martinskirche grundlegend saniert werden und dann noch einmal 1984. Bei einer Bauwerksprüfung im Jahr 2016 wurden dann die oben angeführten Schäden im Bereich des Glockenturms und an den anderen Bauteilen entdeckt. Seither steht die Glocke der Martinskirche still. Für die Sanierung wird ein Zeitraum von 3 bis 4 Monaten angesetzt, doch bis es soweit ist, muss erst der fehlende Betrag zusammenkommen. „Ich werde häufig gefragt, warum wir spenden sollen, wo man doch schon Kirchensteuer zahle“, sagt Simon Rapp. Aber die Kirche sei doch auch mit ihr Eigentum und wie beim eigenen Haus fallen halt irgendwann Reparaturen an, für die man aufkommen müsse. Ein großer Erfolg war die Aktion von Josef Spindler, Markus Schwald und Siegfried Polednik: Sie fertigten einen schönen Fotokalender, dessen Erlös komplett in die Sanierung gesteckt wird. Vor Weihnachten hatte man 25.000 Euro an Spenden gesammelt. Noch also ist es ein längerer Weg, bis die Totenglocke von St. Martin wieder für die Herrschinger läuten kann. Und dann vielleicht auch irgendwann ein großer Wunsch von Simon Rapp in Erfüllung gehen kann: im Sommer einen der beiden Werksgottesdienste in der kleinen Kirche auf dem Hügel abzuhalten. Aber dafür müsste sie barrierefrei zugänglich sein „und meine Rufe in diese Richtung sind bislang ungehört verhallt“, bedauert der Pfarrer.

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Wer sich mit einer Spende an der Sanierung der St. Martinskirche beteiligen will, kann dies auf folgendes Konto überweisen:
Kath. Kirchenstiftung St. Nikolaus
Kreissparkasse München-Starnberg
IBAN: DE69 7025 0150 0022 0113 08
BIC: BYLADEM1KMS

Für Sie berichtete Barbara Geiling.

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