Der Thimalus steht beispielhaft für die Erhaltung und Pflege klassischer Yachten am Ammersee und ist ein lebendiges Stück Segelgeschichte.
RMDSC Herrsching
Der 45er Nationale Kreuzer Thimalus, Baujahr 1925, ist eines der ältesten und schönsten klassischen Segelboote am Ammersee. Die Yacht, heute Flaggschiff des Rhein-Main-Donau-Segelclubs (RMDSC) in Herrsching, verkörpert die Verbindung von Tradition, handwerklicher Perfektion und Segelbegeisterung. Am Sonntag, 29. Juni 2025, feiert der Club das 100-jährige Jubiläum dieses lebendigen Denkmals deutscher Segelboottradition mit einer Festveranstaltung.
Viel Herzblut steckt in den mehrfach aufwendigen Restaurierungen zum Erhalt des Thimalus. Die Yacht wurde 1925 beim Landratsamt Landsberg/Lech registriert und wird seither liebevoll gepflegt sowie aktiv gesegelt. Sie zählt zu den ältesten erhaltenen 45er Nationalen Kreuzern – einer Bootsklasse, die ab 1912 als schnelle, wohnliche Regattayacht für Binnen- und Küstengewässer entwickelt wurde. Auch am Ammersee haben Nationale Kreuzer eine lange Tradition und sind bis heute bei Regatten vertreten.
Der Ammersee gilt generell als bedeutendes Revier für klassische Holzsegelboote in Süddeutschland. Die Pflege und Präsentation historischer Jollen, offener Kielboote und Nationaler Kreuzer ist hier nicht nur sportliches, sondern auch kulturelles Anliegen, was sich in der lebendigen Vereins- und Regattakultur widerspiegelt. Der Thimalus zählt zu den traditionsreichsten klassischen Yachten am See und hat eine bewegte Geschichte.
Versenkt, geborgen, komplett saniert
1926 erwarb der Münchner Bauunternehmer Leonhard Moll einen 45er Nationalen Kreuzer aus Mahagoni mit Gaffeltakelung und taufte ihn „Sulamith“ – nach dem Namen seiner Tochter. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Boot von den US-amerikanischen Besatzungstruppen beschlagnahmt, am Starnberger See genutzt und schließlich versenkt. 1953 bargen Berufstaucher der RMD AG das Wrack. Im Rumpf fanden sie zerbrochene Whiskyflaschen – ein Hinweis auf die Umstände der Versenkung.
Im August 1955 schenkte Leonhard Moll die Yacht dem jungen Rhein-Main-Donau-Segelclub – ursprünglich zum Ausschlachten, da in den 50er-Jahren Mangel an Rohstoffen herrschte und das Blei im Kiel als wertvolles Material galt. Allerdings: An dem Kiel hing noch ein stattliches Schiff. Es war zwar in einem erbärmlichen Zustand – ein riesiges Leck im Bug, algenbewachsene, morsche Planken, vom Rigg keine Spur mehr. Trotzdem: Der Holzrumpf hatte seine rassigen Linien nicht verloren. Letztlich entschied sich der Club für eine Komplettsanierung des schönen alten Holzbootes.
Mitte der 1950er Jahre restaurierte der RMDSC die Sulamith mit Unterstützung eines Bootsbauergesellen. Die Yacht erhielt mit der Restaurierung ein neues Rigg mit 3/4-Takelung, einen 15 Meter hohen Mast und die Segelnummer P204. Am 16. Juni 1956 wurde der wiederhergestellte 45er Nationale Kreuzer von Sulamith Strebel, geborene Moll, feierlich auf den Namen „Thimalus“ getauft.
Sieger bei vielen Regatten
Bis heute wurde der Thimalus mehrfach restauriert, um die Yacht als segelfähigen Klassiker zu erhalten. In den 1960er Jahren wurde der Rumpf aus Sicherheitsgründen mit einer Kunststoffhaut überzogen und das Kielschwein verstärkt, was das Boot um 800 Kilogramm schwerer machte.
Dennoch blieb der Thimalus regattatauglich. In den 1970er Jahren feierte die Yacht zahlreiche Regattaerfolge, gewann mehrfach das „Blaue Band vom Ammersee“ und war als schnelle Konkurrenz bekannt und respektiert.
Viele Jahre später zeigte sich, dass die Kritiker des Kunststoffüberzugs recht behalten sollten: 1993 wurden Schäden durch Feuchtigkeit unter der Kunststoffhaut entdeckt – das Holz hatte so viel Wasser gezogen, dass es begann zu verfaulen. Der Club stand vor der Entscheidung, das Boot auszumustern oder komplett zu restaurieren, was zunächst finanziell nicht möglich schien.
Doch der Thimalus hatte als Clubschiff schon vielen Menschen Freude bereitet. Generationen von RMDSC-Mitgliedern samt Angehörigen lernten auf ihm das Segeln. Zum Beispiel Bernhard Kern: „Seit meinem zehnten Lebensjahr bin ich auf dem Thimalus gesegelt. Wir haben ganze Sommer mit den Eltern hier am Ammersee verbracht und herrliche Segeltage erlebt“, schwärmt er. „Mein Wunsch war es, dieses Schiff zu erhalten, weil einfach großartige Kindheitserinnerungen damit verbunden sind.“ Eine großzügige Spende Kerns rettete den betagten Kreuzer vor dem Abwracken.
Anspruchsvolle Restaurierung
Die Restaurierung 1997/98 erfolgte mit dem Anspruch, möglichst originalgetreu zu arbeiten, aber moderne Materialien einzusetzen, wo es sinnvoll ist. Der renommierte Bootsbaumeister und Profisegler Peter Liebner aus Utting, in der Region für die Restaurierung klassischer Boote bekannt, übernahm die aufwendige Instandsetzung. Fast alles außer den Spanten musste erneuert werden. Am 18. Juli 1998 kehrte Thimalus frisch restauriert in den Hafen des RMDSC zurück und wurde vom Club mit einem festlichen Empfang begrüßt.
In den 2020er Jahren folgte eine weitere umfassende Erneuerung: Der alte, zu hohe Holzmast wurde durch ein klassenkonformes, kürzeres Alu-Rigg ersetzt. Die Kosten hierfür sowie für neue Segel und weiteres Zubehör wurden erneut durch großzügige Spenden gedeckt. So segelt Thimalus bis heute als stolzes Symbol für die Geschichte und das Engagement des Rhein-Main-Donau-Segelclubs auf dem Ammersee.
Für Sie berichtete Herrschinger Spiegel.