Die persönliche Interaktion ist Christian Schiller wichtig und so war er froh darüber, in diesem Jahr wieder eine Bürgerversammlung – wenn auch eingeschränkt – abhalten zu können
Nach 2 Jahren Corona-Pause wieder live vor kleiner Gästeschar und per Live-Stream von Zuhause erlebbar
„Wer mich kennt, der weiß, dass ich von der persönlichen Interaktion lebe“, bedauerte Christian Schiller einleitend den Ausfall der beiden letzten Bürgerversammlungen. Die ja auch zu den Pflichtaufgaben des Bürgermeisters gehört. Ein Rechenschaftsbericht über das vergangene Jahr, über die Aktivitäten der Gemeindeverwaltung, die Finanzen u.a.m. Und ganz wichtig: den Bürgern die Gelegenheit zu geben, ihre Fragen und Anträge zu platzieren. Dieses Jahr war es – eingeschränkt – wieder möglich. Gekommen aber waren nur gut 30 Herrschinger Bürger. Viele andere hatten sich per Livestream zugeschaltet, dessen Möglichkeit jedoch durch eine private Aufsichtsbeschwerde stark eingeschränkt worden war. Anstelle offener Interaktion musste der Bürgermeister die Fragen anonym vorlesen, um dem Datenschutz gerecht zu werden. Interaktion sieht leider anders aus.
Mit einem sportlichen Ritt durch das vergangene Jahr begann der Bürgermeister den Rechenschaftsbericht des Jahres 2021, der den Bürgern auch wieder in schriftlicher Form in die Briefkästen gelegt wurde. Von Corona, wo die Testzentren Ende März geschlossen werden und die in Herrsching durch ihre hervorragende Organisation von Menschen aus der weitern Umgebung in Anspruch genommen wurden. Ein herzlicher Dank ging in diesem Zusammenhang an die Seehof-Wirtin Gerda Reichert für die Überlassung der Räumlichkeiten und an alle, die Teil dieses guten Ablaufs waren.
Besonders für die Kulturschaffenden war und ist es eine schwere Zeit, da so viele Veranstaltungen ausfallen. Er hoffe auf die Zukunft, betonte der Bürgermeister – auch für das Rathaus, wo die Abstandsregeln ein „normal“ unmöglich machen. Per Schleuse im Eingang wird seit nunmehr zwei Jahren der Zugang geregelt und „nur die Terminvereinbarung ist eine Neuerung, die wir auch in Zukunft weiterführen wollen“.
Das Verkehrskonzept wir weiter umgesetzt und man sei dem Ziel von flächendeckenden Tempo 30-Zonen zu beiden Seiten der Staatsstraßen sehr nahe gekommen. In der Schönbichlstraße hätte die Vorgabe des alternierenden Parkens zudem für deutliche Entschleunigung gesorgt.
An der Promenade hofft man durch das „Miteinander-Schild“ möglichst viele Radler zu mehr Rücksicht gegenüber den Fußgängern zu erreichen. Eine Besonderheit des Schildes: ein angebrachter Flaschenkranz lädt dazu ein, leere Flaschen dort einzustellen, anstelle sie irgendwo wegzuwerfen.
Die größte Straßenbaumaßnahme betrifft die Ortseinfahrt nach Herrsching am Mühlfeld. Hier wurde die Zuwegung zum neuen Gymnasium dazu genutzt, mehrere notwendig gewordene Arbeiten einzugliedern. Die Straße war sanierungsbedürftig, wie auch die dort gelegenen Wasserleitungen und Gehwege. Die Kosten von insgesamt 2,8 Mio. Euro teilen sich demnach der Landkreis Starnberg, das Staatliche Bauamt Weilheim, die Gemeinde Herrsching und die AWA Ammersee prozentual zum Aufwand.
Baumaßnahmen
Gut voran schreitet der Bau der Dreifachturnhalle an der Realschule. Die Außenwände stehen und im Innenraum werden zunehmend Details sichtbar. Nicht ohne Stolz betonte Christian Schiller, dass die Kostenüberschreitung trotz der massiv gestiegenen Baupreise nur bei etwa 5% liegt.
Auch das Gemeindehaus in Widdersberg nimmt Gestalt an und wird noch im Sommer dieses Jahres die ersten Gäste empfangen können.
Ebenfalls in diesem Jahr soll auch die Fertigstellung der Obdachlosenunterkunft in der
Gewerbestraße erfolgen.
Ein baldiger Baubeginn ist für das Kinderhaus Fendlbach geplant, für das man insgesamt mit Kosten von 7,4 Mio. Euro rechnet. Auch die Errichtung von Bezahlbaren Wohnraum auf dem Grundstück neben der Nikolauskirche ist auf den Weg gebracht worden. Die Planungsaufträge sind erteilt und die Planungskommission wird in der nächsten Gemeinderatssitzung eine neue Überplanung vorstellen, um den Bau noch wirtschaftlicher zu gestalten.
Bahnunterführung oder Schranke?
„Es gibt bessere Geschäftspartner als die Bahn“, betonte der Bürgermeister an dieser Stelle. Eine für Januar versprochene Stellungnahme läge noch immer nicht vor und auch keine definitive Auskunft darüber, ob sie weitere Grundstücke an die Gemeinde veräußern. „So ist keine Planung möglich“ – und zudem läge die Entscheidungsgewalt für den Bahnübergang nicht bei der Gemeinde.
Viele Projekte, die hohe Kosten verursachen. Trotzdem steht die Gemeinde finanziell noch gut da, wie der Bürgermeister an den Zahlen verdeutlichte. Die Steuereinnahmen 2021 beliefen sich auf insg. 19,4 Mio Euro (davon Gewerbesteuer 39% und Einkommenssteuer 44%). Leicht rückläufig gegenüber den Vorjahren. Demgegenüber stehen die größten Investitionen für 2022: Das Kinderhaus Fendlbach mit 3 Mio., das Gemeindehaus Widdersberg mit 900.000, Sanierungs- und Erweiterungsmaßnahmen an der Christian Morgenstern Schule, 910.000, die Obdachlosenunterkunft mit 905.000 und weitere Punkte.
Kosten fallen selbstverständlich auch für den laufenden Betrieb an – und da pickte der Bürgermeister einen Punkt heraus: rund 136.000 Euro wurden 2021 für die Leerung und Entsorgung der öffentlichen Mülltonnen aufgewendet, die mit 530 m3 befüllt wurden. Er richtete an dieser Stelle einen großen Dank an die Mitarbeiter des Bauhofs, die so zuverlässig und engagiert ihrer Arbeit nachkommen.
Kosten aber fallen auch für den Baumschutz an – der in den vergangenen Wochen zu einem sehr hitzig diskutierten Thema in der Gemeinde geworden ist. Aus diesem Grund wollte der Bürgermeister diese Versammlung nutzen, um „Licht ins Dunkle zu bringen und einen gemeinsamen Nenner zu finden“. Er beschrieb den geleisteten Aufwand für den Erhalt alter Bäume und die geringen Erfolgsaussichten einer neuen Baumschutzverordnung, die zudem mit hohen finanziellen und juristischem Aufwand einhergehe. Den hohen Siedlungsdruck im Ort, der scharf kritisiert würde. „Mich macht es nachdenklich, wenn Menschen, die her gezogen sind und hier alle Vorzüge genießen jetzt sagen, dass es aber nun genug ist. Keine weitere Bebauung wollen!“ Eine Haltung, die auch bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums auf der Klosterwiese in Breitbrunn für viele offene Verfahren und hohe Anwaltskosten gesorgt hätten.
Hochwasserschutz, der Bau des Radwegs am Fendlbach und das Gymnasium: hier trafen in diesem Jahr 3 Ereignisse zusammen, die drastische Baumfällungen mit sich brachten. Er habe Verständnis dafür, dass es für manche zu viel war und kündigte einen Besuch des Wasserwirtschaftsamtes in der April-Sitzung des Gemeinderats an, in dem das Amt ihre geplanten Maßnahmen erläutern werden.
Obwohl 100 Besucher zugelassen wären, kamen nur 33 Herrschinger Bürger zu dieser Versammlung, die erstmals auch per Live-Übertragung von Zuhause verfolgt werden konnte
Ausführlich beschrieb Schiller das Spannungsfeld Baumschutz, bei dem so viele Interessen aufeinanderprallen. Gesetzliche Regelungen, private Interessen, Naturschutzgesetze, Baugesetze, Umweltfaktoren, Verkehrssicherheit, Haftung und anderes mehr. „Natur- und Baumschutz muss Verpflichtung und Selbstverständnis für uns alle sein!“ Und das funktioniere nur gemeinsam.
Wer sich allerdings nicht an vorgeschriebene Regeln hielte, sei der Biber, dessen Verbiss jedes Jahr Dutzende von Bäumen zum Opfer fielen.
Keine Bäume stehen auf dem Grundstück an der Seefelder Straße, wo das neue Klinikum geplant ist. Landrat Stefan Frey war u.a. wegen diesem Projekt zur Bürgerversammlung gekommen und berichtete über den Stand der Dinge. Ein Klinikum mit 200 Betten, das Chirugie, Internistische Abteilung, HNO und Hämatologie unter einem Dach vereint. Die Zusammenlegung der Klinik Dr. Schindlbeck und Seefeld war aus wirtschaftlichen Gründen zwingend notwendig geworden, betonte der Landrat. Überaus dankbar sei er hier über den großen und überparteilichen Rückhalt seitens des Gemeinderats. Bis Herbst 2022 hoffe er, die Entwurfsplanung dem Gremium vorstellen zu können.
Danach sprach Stefan Frei sehr nachdrücklich über die Situation in der Ukraine und den Geflüchteten, die auch hier im Landkreis Zuflucht suchen. 33 Erwachsene und 32 Kinder sind – stand 17.03. – in Herrsching von Privat aufgenommen worden. 540 im Landkreis, wobei dieser Wert sich stündlich ändere. „Uns geht es darum, den Menschen ein Dach über dem Kopf zu vermitteln und nicht die bürokratische Spirale von 2015 zu wiederholen“ betont der Landrat. Die Ankommenden erhalten sofort eine Aufenthaltsgenehmigung, dürfen Arbeiten und beziehen Sozialleistungen. Ein „riesiger Kraftakt“ für die Verantwortlichen, die nahezu rund um die Uhr damit beschäftigt seien und täglich dazulernen. Er bat um weitere ehrenamtliche Unterstützung mit möglichst niederschwelligen Angeboten. Nachmittags Kinder betreuen u.a.m. „Wir wollen ohne Bürokratie und ohne Datenschutzrichtlinien die Situation in den Griff bekommen“ ist sein großer Wunsch. „Und deutlich aufzeigen, dass wir uns mit Flüchtlingsströmen nicht in die Knie zwingen lassen. Das schafft der Herr aus Russland nicht!“
In der Fragerunde ging zum überwiegenden Teil um Bäume. Viele Antworten hatte der Bürgermeister in seinen Ausführungen vorweg beantwortet und gab in Folge noch konkrete Zahlen an die Hand, die hier abgerufen wurden. Der Radweg Breitbrunn – Herrsching stockt aufgrund nicht abgeschlossener Grundstücksverhandlungen sowohl am Winkelweg in Breitbrunn, als auch in der Nähe von Gut Ried, wo der Eigentümer keine Fläche abtreten will. Schnellere Fortschritte in der Energiewende wurden angemahnt, um noch Chancen zu haben, die Gesetzesvorlagen einhalten zu können. Noch sei Herrsching weit hinter vielen anderen Orten zurück, was die Nutzung erneuerbarer Energien betrifft. „Wie wollen Sie es machen“, fragte Karin Casaretto den Bürgermeister sehr direkt an. Und forderte mehr Einsatz z.B. für den Nutzen von Geothermie.
Für Sie berichtete Barbara Geiling.